Mandanteninformation November 2017

In der November-Ausgabe 2017 finden Sie u.a. Informationen zum Auslagenersatz beim Aufladen eines Elektro-Firmenwagens, zur Umsatzsteuerbefreiung von Schwimmschulen und zur Frage, inwieweit Einkommensteuervorauszahlungen als Nachlassverbindlichkeiten anzuerkennen sind.

Bundesfinanzhof: Pflicht zur Vorfinanzierung der Umsatzsteuer rechtswidrig?

Der Bundesfinanzhof (Beschluss vom 21.6.2017, Az. V R 51/16) hat erhebliche Zweifel an der bislang uneingeschränkt angenommenen Pflicht zur Vorfinanzierung der Umsatzsteuer durch den zur Sollbesteuerung verpflichteten Unternehmer. Er hat daher den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) mit einer Vorabentscheidung beauftragt, da die deutsche gesetzliche Regelung möglicherweise gegen EU-Recht verstößt.

Eine Spielervermittlerin im bezahlten Fußball unterlag der sog. Sollbesteuerung. Hierbei muss der Unternehmer die Umsatzsteuer bereits mit der Leistungserbringung unabhängig vom Eingang des Entgelts versteuern. Bei der Vermittlung von Profifußballern erhielt die Vermittlerin Provisionszahlungen von den aufnehmenden Vereinen. Die Zahlungen waren in Raten verteilt auf die Laufzeit des Arbeitsvertrags des Spielers zu leisten, wobei die Fälligkeit und das Bestehen des einzelnen Ratenanspruchs unter der Bedingung des Fortbestehens des Arbeitsvertrags des Spielers standen.

Das Finanzamt ging davon aus, dass die Vermittlerin ihre im Jahr 2012 erbrachten Leistungen auch insoweit bereits in 2012 zu versteuern habe, als sie Entgeltbestandteile für die Vermittlungen vertragsgemäß erst im Jahr 2015 beanspruchen konnte. Diese Sichtweise des Finanzamts entspricht jahrzehntelanger Besteuerungspraxis.

Der Bundesfinanzhof bezweifelt jetzt aber, ob dies mit den bindenden Vorgaben des Unionsrechts – EU-Richtlinie über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem – vereinbar ist. Daher soll nun der Gerichtshof der Europäischen Union entscheiden, ob der Steuerpflichtige gezwungen ist, die für die Leistungen geschuldete Umsatzsteuer für einen Zeitraum von zwei Jahren vorzufinanzieren, wenn er die Vergütung für seine Tätigkeit teilweise erst zwei Jahre nach Entstehung des Steuertatbestands erhalten kann.

Hinweis: Die vom EuGH zu beurteilende Frage ist von erheblicher praktischer Bedeutung. Sie bezieht sich zwar vorrangig auf bedingte Vergütungsansprüche, kann aber ebenso bei befristeten Zahlungsansprüchen, etwa beim Ratenkauf im Einzelhandel oder bei verschiedenen Leasingformen, von Bedeutung sein. Auch hier besteht nach gegenwärtiger Praxis für den der Sollbesteuerung unterliegenden Unternehmer die Pflicht, die Umsatzsteuer für die Warenlieferung bereits mit der Übergabe der Ware vollständig abzuführen, selbst wenn er einzelne Ratenzahlungen erst über eine Laufzeit von mehreren Jahren vereinnahmen kann.

Trockenes Brötchen mit Heißgetränk ist kein Frühstück

Ein trockenes Brötchen in Kombination mit Heißgetränken ist kein lohnsteuerpflichtiger Sachbezug in Form eines Frühstücks. So das Finanzgericht Münster (Urteil vom 31.5.2017, Az. 11 K 4108/14).

Ein Softwareunternehmen mit 80 Mitarbeitern bestellte über einen längeren Zeitraum täglich ca. 150 Brötchen (Laugen-, Käse-, Schoko- und Roggenbrötchen), die in Körben auf einem Buffet in der Kantine für Mitarbeiter sowie für Kunden und Gäste zum Verzehr zur Verfügung standen. Dabei wurden nur die Brötchen, aber kein Aufschnitt oder sonstiger Belag ausgegeben. Zudem konnten sich die Mitarbeiter, Kunden und Gäste ganztägig unentgeltlich aus einem Heißgeräteautomaten bedienen. Ein Großteil der Brötchen wurde von den Mitarbeitern in der Vormittagspause verzehrt.

Das Finanzamt sah hierin eine unentgeltliche Zurverfügungstellung einer Mahlzeit an Arbeitnehmer in Form eines Frühstücks, das als Sachbezug mit den amtlichen Sachbezugswerten von EUR 1,50 bis EUR 1,57 je Mitarbeiter und Tag zu besteuern sei. Das Finanzgericht Münster sah dies anders: Diese dürftige Mahlzeit erreiche nicht den Begriff des »Frühstücks«. Zu den Mindeststandards eines Frühstücks gehöre nach dem allgemeinen Sprachgebrauch neben Brot/Brötchen und Getränken auch ein entsprechender Brotaufstrich.

Vielmehr handele es sich hier um den Sachbezug in Form von »Kost« (vgl. § 8 Abs. 1 Satz 1 EStG). Folge: Es findet eine andere Freigrenze Anwendung, die hier nicht überschritten war. Somit schied eine Berücksichtigung als lohnsteuerpflichtiger Sachbezug aus.

Hinweis: Das Finanzgericht Münster ließ wegen grundsätzlicher Bedeutung der Streitfrage die Revision zum Bundesfinanzhof zu (Az. dort: VI R 36/17).

Einspruch bei unzuständigem Finanzamt

Die A-AG, eine Aktiengesellschaft schweizerischen Rechts, ist in Deutschland beschränkt steuerpflichtig. Aufgrund einer Lohnsteuer-Außenprüfung kam es zu einem Lohnsteuer-Nachforderungsbescheid, gegen den die A-AG versehentlich beim unzuständigen Finanzamt wenige Tage vor Ablauf der Einspruchsfrist Einspruch einlegte.

Das unzuständige Finanzamt bemerkte den Fehler und leitete den Original-Einspruch am letzten Tag der Einspruchsfrist per Kurier an das zuständige Finanzamt weiter, wo er zwei Tage nach Fristablauf ankam. Das zuständige Finanzamt verwarf den Einspruch als unzulässig, weil er verfristet erhoben worden sei und die A-AG keinen Anspruch auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand habe.

Die A-AG war dagegen der Ansicht, sie habe die Einspruchsfrist nicht versäumt. Vielmehr sei die Anbringung des Einspruchs bei dem örtlich unzuständigen Finanzamt verfahrensrechtlich unschädlich, weil er dem zuständigen Finanzamt noch vor Ablauf der Einspruchsfrist übermittelt worden sei. Auf die Frage der Wiedereinsetzung komme es gar nicht mehr an. Das unzuständige Finanzamt habe den Einspruch an das zuständige Finanzamt am letzten Tag der Einspruchsfrist »übermittelt«: Übermittelt werde ein Einspruch nämlich nicht erst bei Eintritt des Übermittlungserfolgs (Eingang bei der zuständigen Behörde), sondern bereits bei Vornahme der Übermittlungshandlung (Absendung durch die unzuständige Behörde).

Die A-AG bekam beim Finanzgericht Baden-Württemberg (Urteil vom 4.5.2017, Az. 3 K 3046/14) Recht.

Auslagenersatz beim Aufladen eines Elektro-Firmenwagens

Zum 1.1.2017 wurde eine Steuerbefreiung für das kostenlose oder verbilligte Aufladen von privaten Elektro-Fahrzeugen an Stromladestationen beim Arbeitgeber eingeführt (vgl. § 3 Nr. 46 EStG). Aufgrund dieser Neuregelung tauchte in der Praxis folgende Frage auf: Kann ein Mitarbeiter, der einen dienstlichen Firmenwagen gegen Entgelt oder bei sich zu Hause über eine private Ladestation auflädt, Auslagenersatz erhalten? Falls ja, kann dieser auch pauschaliert werden?

Die Finanzverwaltung hat reagiert: Zur Vereinfachung des Auslagenersatzes für das elektrische Aufladen eines Firmenwagens beim Arbeitnehmer sind vom 1.1.2017 bis 31.12. 2020 folgende monatliche Pauschalen möglich:

mit zusätzlicher Lademöglichkeit beim Arbeitgeber

  • für Elektrofahrzeuge EUR 20
  • für Hybridelektrofahrzeuge EUR 10

ohne zusätzliche Lademöglichkeit beim Arbeitgeber

  • für Elektrofahrzeuge EUR 50
  • für Hybridelektrofahrzeuge EUR 25

Diese Beträge mindern den geldwerten Vorteil des Arbeitnehmers aus der Überlassung des Firmenwagens, wenn die Kosten für den Ladestrom nicht vom Arbeitgeber erstattet, sondern vom Arbeitnehmer selbst getragen werden (IHK-Steuerinfo Region Stuttgart, Oktober 2017).

Einkommensteuervorauszahlungen als Nachlassverbindlichkeiten

E ist als Erbe Gesamtrechtsnachfolger seines am 15.8.2014 verstorbenen Vaters. Das Finanzamt hatte gegenüber dem Vater Einkommensteuervorauszahlungen für das III. und IV. Quartal 2014 festgesetzt. Diese machte E als Nachlassverbindlichkeiten im Rahmen der Erbschaftsteuererklärung geltend. Das Finanzamt erkannte nur die Vorauszahlungen für das III. Quartal an, weil die Steuer für das IV. Quartal erst mit dessen Beginn und damit nach dem Todestag des Vaters entstanden sei.

E war dagegen der Ansicht, dass gegenüber dem Erblasser festgesetzte Einkommensteuervorauszahlungen auch für ein Kalendervierteljahr, das erst nach dessen Tod beginnt, vom Erben als Nachlassverbindlichkeiten abzugsfähig sind:

Zu den abzugsfähigen Nachlassverbindlichkeiten gehörten nicht nur die rechtlich entstandenen, sondern auch diejenigen Steuerschulden des Erblassers, die dieser durch Verwirklichung von Steuertatbeständen begründet habe. Die Einkommensteuer des Erblassers entstehe erst mit Ablauf des Todesjahres und sei unzweifelhaft abzugsfähig. Für Vorauszahlungen könne nichts anderes gelten als für Abschlusszahlungen. Wäre die Vorauszahlung für das IV. Quartal – etwa nach einem Antrag des E als Gesamtrechtsnachfolger – auf Null herabgesetzt worden, wäre die Abschlusszahlung entsprechend höher ausgefallen und voll abzugsfähig gewesen.

E bekam beim Finanzgericht Münster (Urteil vom 31.8.2017, Az. 3 K 1641/17 Erb) Recht.

Gesundheitszentrum mit Wellnessangebot

Die G-GmbH betrieb neben der K-Klinik ein Gesundheitszentrum. Das Gesundheitszentrum ist eine Einrichtung, in der die Gäste selbst über ihren Aufenthalt, dessen Dauer sowie den Umfang der Leistungen entscheiden können. Entsprechende Aufenthaltspakete werden in Katalogen, Zeitschriften oder im Internet beworben und können dort gebucht werden. Der Aufenthalt ist nicht von einem ärztlichen Befund abhängig, sondern der Gast bucht das Gesamtangebot zu einem Festpreis.

Zu Beginn des Aufenthalts erfolgt eine ärztliche Untersuchung. Im Anschluss daran wird ein Terminplan für Anwendungen erstellt. Auch Paare oder Freunde können einen Aufenthalt in einem Zweibettzimmer zu einem Festpreis buchen.

Für das Gesundheitszentrum bestand für 2009 kein Versorgungsvertrag nach § 111 SGB V. Bis einschließlich 2008 wurden die Leistungen vom Finanzamt nach § 4 Nr. 16 Buchst. c UStG alter Fassung als umsatzsteuerfrei behandelt. In ihrer Umsatzsteuererklärung für 2009 erklärte die G-GmbH Umsätze aus Lieferungen und Leistungen zum allgemeinen Steuersatz.

Das Finanzamt war dagegen der Ansicht, die begehrte Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 Buchst. b Doppelbuchst. dd UStG neuer Fassung sowie Art. 132 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL für 2009 sei zu versagen, weil insbesondere kein Versorgungsvertrag nach § 111 SGB V vorliege. Somit würden alle Umsätze – mit Ausnahme der Erlöse der Krankenkassen – der Umsatzsteuer nach dem Regelsteuersatz unterliegen.

Das Finanzamt bekam beim Hessischen Finanzgericht (Urteil vom 28.6.2017, Az. 1 K 19/16) Recht.

Schwimmschule: Umsätze sind umsatzsteuerfrei

Das Erlernen der Fähigkeit, schwimmen zu können, ist von hohem Gemeinwohlinteresse, was die Befreiung einer Schwimmschule von der Umsatzsteuer rechtfertigt. So das Finanzgericht Münster (Urteil vom 15.8.2017, Az. 15 K 2689/14 U).

Der Betreiber einer Schwimmschule führte Baby-, Kleinkinder-, Kinder- und Erwachsenenschwimmkurse sowie Wassergymnastik und Aqua-Jogging in Hallenbädern durch, die er von der Stadt angemietet hatte. Neben der Kusrgebühr zahlten die Teilnehmer auch das Eintrittsgeld für die Hallenbadbenutzung. Später kam es zum Streit zwischen Schwimmlehrer und Finanzamt darüber, ob die Leistungen des Schwimmlehrers umsatzsteuerpflichtige Tätigkeiten seien.

Das Finanzgericht Münster verneinte dies. Zwar seien die Leistungen des Betreibers der Schwimmschule nicht nach deutschem Recht umsatzsteuerfrei, der Schwimmlehrer könne sich aber für die Steuerfreiheit seiner Leistungen auf das EU-Recht berufen. An der Erlernung der Fähigkeiten, schwimmen zu können, bestehe ein hohes Gemeinwohlinteresse, weshalb die Erlangung dieser Fähigkeit auch in öffentlichen Schulen unterrichtet werde. Für die Steuerbefreiung nach der einschlägigen EU-Vorschrift sei es im Übrigen ohne Bedeutung, ob der Privatlehrer die Tätigkeit (auch) durch von ihm beschäftigte Arbeitnehmer ausführen lasse oder ausschließlich selbst Schwimmunterricht gebe.

Verkehrstherapeutische Leistungen

P ist approbierter psychologischer Psychotherapeut und erbringt u.a. verkehrstherapeutische Leistungen. Diese werden von Personen in Anspruch genommen, die sich aufgrund von Verkehrsdelikten, z.B. Fahren unter Alkoholeinfluss oder mit überhöhter Geschwindigkeit, mit dem Ziel der Wiedererlangung der Fahrerlaubnis auf eine medizinisch-psychologische Untersuchung (MPU) vorbereiten müssen. P sah in seinen verkehrstherapeutischen Leistungen umsatzsteuerfreie Heilbehandlungen.

Das Finanzamt hingegen unterwarf die Leistungen des P der Umsatzsteuer: Heilbehandlungen seien nur solche Tätigkeiten, die zur Vorbeugung, Diagnose, Behandlung und – soweit möglich – Heilung von Krankheiten vorgenommen würden. Dies sei jedoch nicht das Hauptziel der verkehrstherapeutischen Leistungen des P. Vielmehr gehe es seinen Klienten in erster Linie darum, die Fahrerlaubnis wiederzuerlangen.

Hierfür spreche insbesondere die Werbung des P im Internet und auf Flyern, in denen es z.B. »der schnelle Weg zurück zum Führerschein« heiße. Demgegenüber sei von der Behandlung von Krankheiten keine Rede. Anderenfalls hätten die Klienten des P auch die Kosten für die Therapien nicht selbst getragen, sondern ärztlich verordnete und von den Krankenkassen finanzierte Therapien in Anspruch genommen. Der Gesundheitsschutz sei allenfalls mittelbar betroffen, was für die Anwendung einer Umsatzsteuerbefreiungsvorschrift nicht ausreiche.

Das Finanzamt bekam beim Finanzgericht Münster (Urteil vom 12.9.2017, Az.15 K 3562/14 U) Recht.