Mandanteninformation September 2017
in der September-Ausgabe 2017 finden Sie u.a. Informationen zur steuerlichen Bewertung von Ehegattenfreibeträgen und Scheidungskosten sowie von Krankenversicherungsbeiträgen, aber auch die zentralen Aussagen einer BFH-Entscheidung, die sich mit einer Aufforderung des Finanzamtes zur vorzeitigen Einkommensteuererklärung befasst.
Unzureichend begründete Aufforderung zu vorzeitiger Einkommensteuererklärung
Ein nicht ausreichend begründeter und damit rechtswidriger Verwaltungsakt des Finanzamts kann nicht durch das Nachschieben einer Begründung »geheilt« werden, wenn sich der Verwaltungsakt vor der Einlegung des Einspruchs bereits erledigt hat.
Steuerpflichtige haben die Pflicht, die Einkommensteuererklärung des Vorjahrs bis zum 31. Mai des Folgejahrs beim Finanzamt einzureichen. Diese gesetzliche Frist kann bis zum Ende des auf den Besteuerungszeitraum folgenden Kalenderjahrs verlängert werden, wenn die Steuererklärung durch einen Steuerberater angefertigt wird. Allerdings ist es dem Finanzamt vorbehalten, die Einkommensteuererklärung für einen Zeitpunkt vor Ablauf dieser Frist anzufordern. Es handelt sich hierbei um eine sog. Ermessensentscheidung des Finanzamts, die zu begründen ist.
In einem vom Bundesfinanzhof (Urteil vom 17.1.2017, Az. VIII R 52/14) entschiedenen Fall hatte das Finanzamt von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht und ein Ehepaar aufgefordert, die Einkommensteuererklärung für 2010 durch ihren Steuerberater nicht bis spätestens 31.12.2011, sondern bereits zum 31.8.2011, und damit vorzeitig, einzureichen. Allerdings war aus der formelhaften Begründung (»im Interesse einer ordnungsgemäßen Durchführung des Besteuerungsverfahrens«) nicht erkennbar, aus welchem konkreten Grund die Abgabefrist gekürzt worden war. Die vom Steuerberater angefertigte Erklärung ging am 7.12.2011 beim Finanzamt ein; dieses setzte daraufhin einen Verspätungszuschlag in Höhe von EUR 880 fest. Hiergegen wurde im Januar 2012 Einspruch eingelegt. Erst dann versuchte das Finanzamt seine ursprüngliche Verfügung zu begründen.
Der Bundesfinanzhof hielt sowohl die Aufforderung zur vorzeitigen Abgabe der Erklärung als auch den Verspätungszuschlag für rechtswidrig. Zwar hätte grundsätzlich der Begründungsmangel der Anforderungsverfügung durch Nachschieben von Gründen beseitigt werden können. Eine solche Heilung komme jedoch dann nicht mehr in Betracht, wenn sich die Aufforderung zur vorzeitigen Abgabe der Erklärung vor der Einlegung eines Einspruchs durch die Abgabe der Einkommensteuererklärung bereits erledigt habe. Ein Einspruch war erst nach Festsetzung des Verspätungszuschlags im Einkommensteuerbescheid für 2010 eingelegt worden. Erst danach hatte das Finanzamt die damalige Verfügung begründet, was jedoch nicht mehr ausreichend war.
Hinweis: Der Fall behandelt die Rechtslage bis zum 31.12.2017.
Ehegattenfreibetrag für beschränkt Steuerpflichtige
Ehefrau F ist Schweizer Staatsangehörige mit Wohnsitz in der Schweiz. In einem Erbvertrag hatten F und ihr Ehemann M vereinbart, dass F im Fall des Vorversterbens des M aus dessen Vermögen eine Reihe näher bezeichneter Vermögenswerte als Vermächtnis erhalten solle: Aktien und Bankguthaben in der Schweiz sowie Grundstücke in der Schweiz und in Deutschland. M hatte seinen Wohnsitz ebenfalls in der Schweiz, er verstarb im Mai 2010. Aufgrund des Erbvertrags erhielt F die vermachten Vermögenswerte. Für die in Deutschland gelegenen Grundstücke wurden auf den Todestag des M Grundbesitzwerte von insgesamt EUR 376.951 festgestellt. Die in der Schweiz gelegenen Grundstücke hatten einen Wert von CHF 5.200.000, die Bankguthaben und Beteiligungen einen Wert von insgesamt CHF 1.100.000. In der Schweiz wurde von F keine Erbschaftsteuer erhoben. Das Finanzamt in Deutschland setzte gegen F für den Erwerb von Todes wegen von M die Erbschaftsteuer auf 52.365 EUR fest und berücksichtigte einen p ersönlichen Freibetrag in Höhe von EUR 27.811, indem es den Ehegattenfreibetrag von EUR 500.000 nur im Verhältnis des inländischen Erwerbs zum Gesamterwerb ansetzte.
F war dagegen der Ansicht, ihre der beschränkten Steuerpflicht unterliegende Bereicherung führe nicht zu einem steuerpflichtigen Erwerb. Der Wert liege mit EUR 376.951 unterhalb des für Ehegatten geltenden Freibetrags in Höhe von EUR 500.000. Ihr Erwerb sei aufgrund des Vermächtnisses des M unter Berücksichtigung eines anzusetzenden Ehegattenfreibetrags in Höhe von EUR 500.000 vollständig steuerbefreit. F bekam beim Bundesfinanzhof (Urteil vom 10.5.2017, Az. II R 53/14) Recht.
Scheidungskosten steuerlich nicht mehr abziehbar
Scheidungskosten sind – anders als bisher – aufgrund einer gesetzlichen Neuregelung im Jahr 2013 nicht mehr als außergewöhnliche Belastung abziehbar. So jetzt der Bundesfinanzhof (Urteil vom 18.5.2017, Az. VI R 9/16).
Seit einer gesetzlichen Änderung des § 33 EStG im Jahr 2013 sind Aufwendungen für Prozesskosten grundsätzlich vom Abzug als außergewöhnliche Belastung ausgeschlossen. Ausnahmsweise ist ein Abzug zugelassen, wenn der Steuerpflichtige ohne die Aufwendungen Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können.
Bei Prozesskosten für ein Scheidungsverfahren sind nach Auffassung des Gerichts diese Voraussetzungen für einen ausnahmsweisen Abzug nicht gegeben. Der Ehegatte wende die Kosten für ein Scheidungsverfahren nicht zur Sicherung seiner Existenzgrundlage und seiner lebensnotwendigen Bedürfnisse auf. Eine derartige existentielle Betroffenheit liege bei Scheidungskosten nicht vor.
Zwar habe der Bundesfinanzhof die Kosten einer Ehescheidung bis zu der gesetzlichen Änderung des § 33 EStG im Jahr 2013 als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt. Dies sei jedoch nach der gesetzlichen Neufassung nicht länger möglich. Denn der Gesetzgeber habe die Steuererheblichkeit von Prozesskosten auf einen engen Rahmen zurückführen und die Scheidungskosten vom Abzug als außergewöhnliche Belastung bewusst ausschließen wollen.
Aufwendungen für Beitragsrückerstattung in Krankenversicherung nicht berücksichtigungsfähig
Krankheitsbedingte Aufwendungen, z.B. eine Arztrechnung, die ein privat krankenversicherter Steuerpflichtiger selbst trägt, um sich eine Beitragsrückerstattung seines Krankenversicherers zu erhalten, sind weder als Sonderausgaben noch als außergewöhnliche Belastungen steuerlich berücksichtigungsfähig.
Ein Mann hatte in seiner Steuererklärung die von ihm entrichteten Beiträge zu seiner privaten Kranken- und Pflegeversicherung geltend gemacht. Als das Finanzamt davon erfuhr, dass er von seiner Krankenversicherung eine Beitragserstattung erhalten hatte, änderte es die Steuerfestsetzung und berücksichtigte nur noch die gezahlten Beiträge abzüglich der Erstattung.
Der Steuerpflichtige machte geltend, dass er für eine ärztliche Behandlung einen Betrag aufgewendet habe, der die Erstattung deutlich übersteige. Dies sei die Voraussetzung dafür gewesen, um die von seinem Versicherer gewährte Beitragsrückerstattung zu erhalten. Diese Aufwendungen seien deshalb als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen.
Das Finanzgericht Berlin-Brandenburg (Urteil vom 19.4.2017, Az.11 K 11327/16) sah dies ganz anders: Sonderausgaben lägen nicht vor, weil die private Zahlung der Arztrechnung nicht, wie dies das Gesetz fordere, als Beitrag zu einer Krankenversicherung anzusehen sei. Aber auch außergewöhnliche Belastungen lägen nicht vor. Denn Krankheitskosten seien steuerlich nur dann berücksichtigungsfähig, wenn der Steuerpflichtige sich ihnen nicht entziehen könne, sie ihm also zwangsläufig erwachsen würden. Hieran fehle es, wenn ein Steuerpflichtiger – wie hier – freiwillig auf einen bestehenden Erstattungsanspruch gegen seinen Krankenversicherer verzichte, um in den Genuss einer Beitragsrückerstattung zu kommen.
Konzerte von DJs
Die G-GmbH führte in den Jahren 2007 und 2008 verschiedene Veranstaltungen in den Räumen eines stillgelegten Flughafengebäudes durch. Hierbei wurde in mehreren Räumen (sog. Floors) durch DJs Musik unterschiedlicher Stilrichtungen (z.B. House, Electro, Rave usw.) dargeboten. Daneben veranstaltete die G-GmbH auch sonstige Partys und Open-Air-Discos. Die Veranstaltungen begannen üblicherweise um 23 Uhr (Einlassbeginn). In der Regel war der Eintritt bis 23:30 Uhr oder bis 24 Uhr auf EUR 5 ermäßigt, für Frauen frei. Anschließend kostete der Eintritt am Einlass zwischen EUR 6 und EUR 8. Für die jeweilige Veranstaltung engagierte die G-GmbH neben lokal und regional tätigen DJs einen – vereinzelt auch mehrere – national und international in der Szene durch eigene Musikentwicklungen bzw. -produktionen bekannte und renommierte DJs. Diese traten im Haupt-Floor auf, der ca. 65 % der angemieteten Gesamtfläche ausmachte. Die drei bis vier Neben-Floors waren in der Größe veränderbar und wie sen ein Fassungsvermögen von maximal 200 Besuchern auf.
Die G-GmbH bewarb die Veranstaltungen im Internet und mittels Werbeflyern. Im Rahmen der Veranstaltungen verkaufte die G-GmbH auch gesondert berechnete Getränke, deren Erlös den aus dem Verkauf von Eintrittskarten jeweils erheblich überstieg. Ferner verkaufte sie in geringerem Umfang Snacks und stellte entgeltlich eine Garderobe zur Verfügung. Die G-GmbH unterwarf die von ihr erzielten Umsätze mit einer Ausnahme dem Regelsteuersatz: Die Umsätze aus Eintrittsgeldern unterlägen dem ermäßigten Umsatzsteuersatz, weil der überwiegende Teil der DJs bei den Veranstaltungen der G-GmbH Musikstücke im Sinne des Konzertbegriffs aufgeführt habe. Das Finanzamt war damit nicht einverstanden und bekam beim Sächsischen Finanzgericht (Urteil vom 6.6.2016, Az. 5 K 1811/12) Recht.
Kostenlose Bewirtung von Busfahrern
A betreibt diverse Autobahnraststätten. Busfahrer, die diese Raststätten mit einem mit potenziellen Gästen gefüllten Bus ansteuern, werden dort von A kostenlos bewirtet. Die Busfahrer erhielten von A eine Kundenkarte, die ihnen als Anreiz dienen sollte, die Raststätten des A anzufahren; eine Verpflichtung hierzu bestand jedoch nicht.
Das Finanzamt war der Ansicht, dass die – von A ordnungsgemäß aufgezeichneten – Aufwendungen in Höhe von EUR 15.995 für das Jahr 2003 als Bewirtungskosten zu qualifizieren und deshalb um 20 %, d.h. um EUR 3.199, zu kürzen seien; es berücksichtigte die Aufwendungen für die kostenlose Bewirtung der Busfahrer durch A also nur gekürzt als Betriebsausgaben.
A war dagegen der Auffassung, die kostenlose Abgabe der Speisen und Getränke an die Busfahrer falle nicht unter das Abzugsverbot. Vielmehr sei die Bewirtung der Busfahrer unmittelbarer Gegenstand seiner mit Gewinnabsicht ausgeübten Betätigung und weise einen konkreten Zusammenhang mit seiner betrieblichen Tätigkeit als Gastwirt auf. Die Bewirtung finde im Rahmen seines regulären Geschäftsbetriebs und der entsprechenden Öffnungszeiten statt, in denen den übrigen Gästen – insbesondere den Busreisenden – die Mahlzeiten gegen Entgelt veräußert würden. Die Bewirtung sei insbesondere nicht Teil einer – vom regulären Geschäftsbetrieb zeitlich und/oder räumlich zu separierenden – Veranstaltung, in deren Rahmen den Gästen unentgeltlich Speisen gereicht würden. Das Finanzamt bekam beim Niedersächsischen Finanzgericht (Urteil vom 24.4.2017, Az. 2 K 11255/15) Recht.
Steuerermäßigung für Hundegassiservice
In ihren Einkommensteuererklärungen für 2013 und 2014 beantragte die ledige Steuerpflichtige S eine Steuerermäßigung für Aufwendungen für haushaltsnahe Dienstleistungen in Höhe von EUR 1.700 (2013) und EUR 2.400 (2014) wegen der Betreuung ihrer Hunde. S lässt ihre Hunde ausführen. Die Hunde werden nachmittags abgeholt und ca. ein bis zwei Stunden auf den Wegen ausgeführt, die sie auch üblicherweise nimmt. Der Inhaber der »Hunderunde H« besitzt einen Schlüssel zur Wohnung der S. Nach dem Spaziergang werden die Hunde gesäubert, eventuell mit den nötigen Medikamenten versorgt und sind dann zu Hause. S nutzt den Service, weil sie in Vollzeit berufstätig ist. Die Bezahlung erfolgt bargeldlos per Dauerauftrag.
Das Finanzamt berücksichtigte diese Aufwendungen in den Einkommensteuerbescheiden für 2013 und 2014 indes nicht, weil die Dienstleistungen außerhalb des Haushalts erbracht worden wären und daher gar keine haushaltsnahen Dienstleistungen vorlägen. Die Gewährung der Steuerermäßigung komme nur in Betracht, wenn die Tätigkeit »im Haushalt«, d.h. an Orten, die zum Haushalt gehören oder diesem dienen, ausgeübt werde. Dies seien typischerweise die Räumlichkeiten der privaten Wohnung oder des privaten Hauses nebst Zubehörräumen und Garten. Der räumliche Bereich, in dem sich der Haushalt entfalte, werde regelmäßig durch die Grundstücksgrenzen abgesteckt. Das Finanzamt bekam beim Hessischen Finanzgericht (Urteil vom 1.2.2017, Az. 12 K 902/16) Recht.
Ausbildung und Verkauf von Blindenführhunden ist gewerbliche Tätigkeit
Die Ausbildung und der Verkauf von Blindenführhunden führt einkommensteuerrechtlich zu gewerblichen Einkünften. Es handelt sich nicht um eine freiberufliche Tätigkeit. Eine Frau betrieb eine Hundeschule und bildete jährlich drei bis fünf Hunde zu Blindenführhunden aus. Gemeinsam mit sehbehinderten Menschen suchte sie einen Hund aus und erwarb den Welpen auf eigene Rechnung. Nach der Ausbildung wurde der Hund von ihr an den Sehbehinderten übergeben. Sie begleitete die Übergabephase, die mit einer Gespannprüfung abschloss, die ein von der Krankenkasse bestellter Gespannprüfer abnahm. Nach der Prüfung verkaufte die Ausbilderin den Hund an die Krankenkasse des Sehbehinderten, die den Hund als medizinisches Hilfsmittel anerkannte.
Das Finanzamt war der Auffassung, dass es sich bei den Einkünften der Hundeausbilderin aus dem Verkauf und der Ausbildung der Blindenführhunde um gewerbliche Einkünfte handele und setzte einen Gewerbesteuermessbetrag fest. Die hiergegen erhobene Klage hatte auch beim Bundesfinanzhof (Urteil vom 9.5.2017 Az. VIII R11/15) keinen Erfolg. Es handele sich vorliegend nicht um eine freiberufliche Tätigkeit (vgl. § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG), die gewerbesteuerfrei sei. Vielmehr sei die Ausbilderin gewerblich tätig. Denn der Begriff »unterrichtende« oder »erzieherische Tätigkeit« im Sinne der genannten Vorschrift erfordere ein Tätigwerden gegenüber dem Menschen. Steuerrechtlich werde der Begriff des Unterrichts und der Erziehung von Menschen von der Dressur von Tieren unterschieden. Dies gelte auch dann, wenn die Ausbildung der Tiere in einer Hundeschule erfolge. Bei der Betreuung des sehbehinderten Menschen während der Übergabe des Hundes durch die Hundeausbilderin handele es sich um eine der Ausbildung des Tieres untergeordnete Tätigkeit, sodass der gesamte Betrieb der Ausbilderin als gewerblich anzusehen sei.